Hallo zusammen,
wenn es um lebende Tiere geht, wünscht man sich am liebsten eine schöne Fotosituation im Freiland (also unter originalen Fundbedingungen), am besten ohne Wind bei angenehmen Lichtverhältnissen und einer möglichst optimal zur Art passenden "Kulisse". Bei Zuchten (Raupen/Puppen) ist das schon so eine Sache. Oftmals kann man eine einigermaßen brauchbare, zwar künstliche aber dennoch naturnahe Kulisse generieren. Wenn man dann noch schönes nicht zu hartes Tageslicht hat, bekommt man oftmals gute Fotos hin.
Richtig schwer sind am Licht oder Köder aufgesammelte Nachtfalter, besonders wenn sie, wie einige Staubeulen, bei jeder Form von "harter Beleuchtung" (also direktes Sonnenlicht, Blitz, irgendwelche Lampen) einfach nur wie verrückt glänzen. Man wünscht sich hier ein möglichst diffuses weiches Licht (also Beleuchtung von vielen Seiten). Bei Präparaten wünscht man sich ein möglichst reproduzierbares Licht und eine möglichst schattenfreie Ausleuchtung. Man möchte - einfach gesagt - das abbilden, was man selbst unter Optimal-Bedingungen sieht. Leider klappt das oftmals nicht wirklich befriedigend.
Ich habe mir mal wieder Bastelmaterial angeschafft - unter anderem einen 5 Meter langen LED Streifen mit 600 SMD 2835 in der Lichtfarbe "Kaltlicht" (~6500 Kelvin). Diese habe ich ringförmig um eine durchsichtige (klare) Kunststoffbox von ca 20x20 cm² Querschnitt geklebt. Das ganze soll angeblich ca 7000 Lumen liefern. Naja, das mag ich mal bezweifeln, aber es war hell genug um mit Blende 13 bei 1/40 Sekunden und ISO 100 sauber zu belichten.
Da ich im RAW (oder NEF) Format fotografiere, muss ich keinen Weißabgleich einstellen, denn diesen kann ich bei RAW verlustfrei nachträglich leicht ändern. Bei "jpg" geht das nicht! Also habe ich mal ein Testbild eines Falter mit meiner Licht-Box-Bastelei gemacht und siehe da, das kommt raus, wenn ich nichts tue - bzw. ich lasse die Kamera aufnehmen, was "sie sieht" (so sah das für mich aber definitiv nicht aus!):


(klick macht groß - bei den nachfolgenden Bildern ebenso)

Hmm, offensichtlich sind diese "Tageslicht-LEDs" nicht grad die "natürlichste Lichtquelle"... Lightroom hat hier eine Farbtemperatur von 6200 Kelvin und ein +8 zu Magenta gewählt. Gar nicht so weit weg von den Angaben des LED Herstellers - aber weit weg von dem, was ich sehen wollte!

Nehmen wir mal eine Graukarte (genormtes Grau mit ca 18%) und fotografieren die mal ab:


Das sieht nun eigentlich gleich schlecht aus - wie erwartet - denn am Licht habe ich nichts verändert...

Gut, dann nehmen wir mal die beiden Bilder und gehen damit in einen RAW Entwickler (gibt's kostenlos von Nikon, Canon, usw.... oder als Kaufsoftware wie Lightroom, Luminar, usw.). Dort nutzen wir mal die Pipette, mit der man durch Klick auf eine genormte 18% Graustelle einen Weißabgleich bekommt - per Knopfdruck (liefert Temperatur und Tönung).

Das Ergebnis mit der Graukarte sieht dann so aus:


Mal davon abgesehen, dass meine heftige Rundumbeleuchtung zu einem etwas flachen Bildeindruck führt (da es kaum noch Schatten gibt!) stimmt der Rest super. Übrigens sagt mir Lightroom, dass ich für einen korrekten Weißabgleich als Farbtemperatur 37000 (!!! in Worten: 37 tausend!) Kelvin einstellen muss (und nicht 6500 Kelvin, also 6 tausend 500) und die Tönung um -25 nach grün verschieben soll. Das ist richtig heftig. Folglich ist das Kunstlicht meilenweit von einem "natürlichen" Licht entfernt.

Gut, dann schauen wir mal, was passiert, wenn ich diese Werte für das Bild mit dem marginaria anwende:



Prima - so sieht der doch aus! Und das beste ist, wenn ich die Beleuchtung nicht ändere, kann ich diese Werte auch die nächsten 10 Jahre noch so verwenden, ich muss also nur ein(!) einziges mal diese Weißabgleich Korrektur bestimmen und kann sie dann immer nutzen. Egal wie der Hintergrund aussieht oder die Blende/Belichtungszeit geändert wird.

Jetzt noch bissi zuschneiden:

Schaut unscharf aus... ja, das ist unsere Vorschau! Wird viel schärfer wenn man das Bild anklickt und mit Lupe auf 100% Ansicht bringt... Leider können wir das nicht ändern :-(

Insgesamt finde ich: das Ergebnis ist ok. Nicht das beste Foto, aber es ging mir hier in erste Linie über die Bedeutung eines korrekten Weißabgleichs - von großer Bedeutung bei Präparaten - wie ich finde. Aber auch von großer Erleichterung bei allen anderen Zuchtbildern, da man auch mit absolut "unschönem" Kunstlicht ein absolut schönes Ergebnis erhalten kann - ohne Blau/Gelb/Grün/Violettstich.

Nebenbei sollte ich eines erwähnen: Das ganze funktioniert nur, wenn man nur eine Lichtsorte verwendet. Scheint auf der einen Seite Tageslicht zum Fenster und brennt an der Decke ne Halogen und neben dem Tier ne Leuchtstoffröhre ist das praktisch nicht korrigierbar. Man kann zwar optimieren, aber so ne Mischung mit ggf auch noch unterschiedlich starker Beeinflussung kann keine reproduzierbaren Bilder liefern.

Ich meine zwar nicht, dass Bilder reproduzierbar sein sollen (sind se draußen auch nie!) - aber manchmal wäre es schon hilfreich. Insbesondere was die Diskussion von Farben bei Präparaten angeht wäre es zumindest hilfreich, wenn man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen würde (also den Faktor Beleuchtung möglichst ausschalten kann...).

Nun ja, was habe ich gelernt: Ne Graukarte für 10 Euro (nicht einfach ein grauer Karton - das muss das richtige Grau sein!) ist ne feine Sache. Macht man RAW Aufnahmen ist der Weißabgleich nachher nur ein Knopfdruck. Bei jpg kann man auch einen manuellen Weißabgleich machen, aber das ist etwas aufwändiger und geschieht vor der entsprechenden Aufnahme und nicht nachher - aber es ist dennoch gut machbar.
Brauchbares Licht kann zunächst auf dem Bild völlig unbrauchbar wirken. Leider gilt auch das Gegenteil. Im Endeffekt muss die Beleuchtung alle relevanten Lichtfarben (also das Sonnenspektrum) in hinreichender Weise aufweisen, dann kann man oft noch viel korrigieren. Ein Richtwert (wenn auch derb mit Vorsicht zu genießen!) ist der CRI (Color Rendering Index). Ist dieser über 90, dann kann man darauf hoffen, dass einige Farben nach erfolgtem Weißabgleich sehr naturnah sein werden. Meine LED haben CRI 80 und das Ergebnis habt Ihr gesehen - auch nach dem Weißabgleich werden einige Farben (vermutlich vor allem rot) nicht so intensiv sein, wie man sich das wünschen würde. Aber auch hier gilt: selbst ein CRI von 100 (das haben die alten Glühlampen!) bedeuten nicht automatisch, dass alle Farben perfekt balanciert wiedergegeben werden. Lediglich die wenigen zur CRI Bestimmung definierten Testfarben (8 oder 14 Stück).

Fazit: Draußen ist's am schönsten, aber das Ergebnis ist nach meiner Erfahrung auch dort oft nicht grad berauschend. Man kann nicht alles haben ;-)

Gruß
Steffen